Wir sitzen in einem Café und sprechen über das Kirchenmobil. Es fällt mir schwer zu definieren. Wie kann ich meinem Gegenüber klar machen, was das Kirchenmobil für uns bedeutet warum es in unseren Augen erfolgreich ist obwohl sich das nicht messen lässt? „Ich kann das nicht erklären oder beweisen oder an Zahlen festmachen“, sage ich, „ich kann nur Geschichten erzählen.“ Sie schmunzelt und antwortet: „So hat Jesus das auch gemacht.“ Darüber hatte ich nie nachgedacht. Ein schöner Gedanke. Ich kann Geschichten erzählen.


Hier ist nun also unsere Geschichte. Sie ist nicht abgeschlossen und ich hoffe, dass das auch noch eine ganze Weile so bleibt…

Es war einmal vor einigen Jahren, da wollte der ev Kindergarten unserer Gemeinde den alten Bauwagen im Garten loswerden, in dem sie bis dahin Spielsachen, Roller und anderes gelagert hatten. Er war über und sollte auf den Müll. Aber weil wir, die ev. Jugend, ungern Dinge wegschmeißen, haben wir den Wagen kurzerhand auf den Kirchplatz vor die große Stiftskirche gestellt.

Er wurde angemalt, besprayed, bekam einen Glockenturm und eine kleine Terasse. In den Innenraum stellten wir Regale und zwei Sofas. Fertig. Eine Konfirmandenkirche. Sie sollte immer nach dem Gottesdienst als eine Art Kirchencafé für Jugendliche geöffnet sein. Und gleichzeit hatten wir als Jugend nun einen Raum draußen, auf dem Platz und mussten die Gruppenstunden im Sommer nicht wie sonst im Jugendkeller verbringen.

Doch dann gab es da ein Problem. Niemand blieb nach dem Gottesdienst, nur ein paar Jugendliche, die das Projekt mit gestartet hatten. An dieser Stelle kommt das große ABER, der Moment, in dem etwas entstand, das wir alle nicht geplant oder vorausgesehen hatte. Ein geistreicher Moment könnte man wohl sagen. Der alte Bauwagen, der nur noch schwer mit einem Trecker zu bewegen war, der jahrelang im Garten gestanden hatte, dieser Bauwagen war unbemerkt zu einer Kirche geworden. Nicht für uns, sondern zu aller erst für alle anderen.

Wenn in Obernkirchen Stadtfeste stattfinden, dann meist auf dem Kirchplatz, weil dort mehr Platz ist als auf dem Markt. Mit dem Bauwagen hatten wir nun quasi ganz automatisch auf jedem Fest einen Stand. Und wenn jemand eine Frage an Kirche oder an die Gemeinde hatte, dann kam er dort hin und fragte uns. Weil wir da waren. Draußen und nicht hinter den dicken Sandsteinmauern. Wir haben ja nichts getan. Wir standen einfach nur da. Wir waren ansprechbar. Die Hürde für ein Gespräch oder eine Frage wurde dadurch um so vieles kleiner, dass wir immer wieder mit Menschen ins Gespräch kamen, die gar keinen Kontakt zu Kirche oder diesen verloren hatten.

Für die Außenstehenden war dieser Bauwagen ganz selbstverständlich ein Teil von Kirche geworden. Eine nahbare Kirche. Eine die auch mal zuhört und nicht nur reden will. Eine Kirche, die zweckfrei ist. Die da ist. Und offen.

Es wäre wohl dabei geblieben, wären da nicht die wunderbaren Menschen von Kirche² gewesen, die uns zum fresh X Kurs eingeladen, ja förmlich überredet haben – danke dafür! Bei diesem Kurs ging es um neue Formen von Kirche und Gemeinde, nach englischem Vorbild, vorallem aber um die ganz besondere Haltung, die dahin steckt. Der Kurs fragte danach, was Kirche für uns bedeutet, was unser Ziel ist, wofür und für wen wir Kirche sind. Es ging um Sendung, um die Bedeutung von Vielfalt, um Perspektivwechsel.

Dies sind einige der Dinge, die wir in den letzen Jahren lernen durften und die unsere Arbeit prägen:

Wir machen Kirche nicht um der Kirche willen. Es geht nicht um Selbsterhalt. Konkurrenzdenken ist deshalb nur hinderlich. Wir verfolgen doch alle das selbe Ziel. Wir sind alle gemeinsam gesandt – in aller Vielfalt von Gottesdiensten, Konfessionen, Personen, Geschmäckern.

Wir wollen als Kirche vor Ort immer wieder neu schauen, was wir in dieser Situation Gutes tun können. Was ist unsere Aufgabe bei einer Anti-Nazi-Demo und was können wir beim nächsten Stadtfest tun? Wir tun das, was uns Freude macht und das, was wir gut können. Wir wollen unverzweckt für andere da sein. Es geht nicht um Mitgliedergewinnung. Wir wollen einfach etwas Gutes tun. Menschen kennen lernen. Beziehungen aufbauen.

Gott ist schon da. Wir können mit dem Bauwagen aufkreuzen wo auch immer wir wollen, Gott ist schon da. Manchmal vergessen wir das glaube ich gerne, aber wir müssen ihn nicht in die Welt bringen. Nur weil wir als Kirche an manchen Orten völlig unbekannt sind, heißt das nicht, dass Gott es auch ist. Wir müssen nur lernen ihn zu entdecken.

Gott macht keine Unterschiede – wir wollen das auch nicht tun. Kirche sollte für jeden offen sein. „Da könnte ja jeder kommen“ meinen wir ernst! Wir wissen wir schwer es sein kann, in Kirche einen guten Ort für sich zu finden, eine Heimat und wollen deshalb dazu beitragen, möglichst vielen Menschen einen Zugang zu eröffnen.

Kirche funktioniert nicht nach Rezept. Kirche muss so vielfältig sein wie die Menschen in ihr und um sie. Verschiedene Formen von Kirche können sich gegenseitig ergänzen und bereichern. Nur durch die Vielfalt können wir heute noch möglichst vielen Menschen von dem erzählen, was uns so viel bedeutet und gemeinsam herausfinden, was es heute heißt, Kirche zu sein.

Nach diesem Kurs war klar: Wir wollen mehr. Wir wollten nicht nur auf dem Kirchplatz stehen sondern mobil sein und zu all den Orten fahren, an denen Kirche sein sollte. Durch eine Förderung des Fonds Missionarischer Chancen der Landeskirche Hannovers konnten wir 2016 unseren Traum erfüllen und einen neuen Bauwagen kaufen, einen der nun tatsächlich auch mobil ist und unterwegs sein kann. Wir bauten ihn selbst um, er bekam Kirchenfenster, einen Glockenturm, Altar, Sofas, Kreuz und Kerzen. Und so feierten wir im frühen Sommer die Einweihung des Kirchenmobils, unserer mobilen Bauwagenkirche.